06.08.2015 | Stellungnahme

Reformierung der Psychotherapeutenausbildung 

Den Anforderungen in der Patientenversorgung Rechnung tragen

Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) zur Reformierung der Psychotherapeutenausbildung.

„Wir werden das Psychotherapeutengesetz samt den Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung überarbeiten“ – so lautete die Ankündigung von CDU/CSU und SPD im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien von Dezember 2013. Die Hintergründe der Reformbemühungen sind unter anderem die bislang ungelöste Frage nach der angemessenen Vergütung der Psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung und die europaweite Harmonisierung von Studiengängen im Rahmen des Bologna-Prozesses. Die Fachgesellschaften DGPPN und DGPM fordern, dass eine Neugestaltung der Aus- und Weiterbildung von Psychologischen Psychotherapeuten in erster Linie der Verbesserung der Patientenversorgung dienen muss und nicht an den Bedürfnissen der Menschen mit psychischen Erkrankungen vorbei gehen darf.

Ende 2013 kündigten CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag an, „das Psychotherapeutengesetz samt den Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung“ zu überarbeiten. Trotz erheblicher Kontroversen hat der Deutsche Psychotherapeutentag im November 2014 Eckpunkte für eine Reform der Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten beschlossen. Sie soll künftig nach einem eigenständigen, wissenschaftlichen Hochschulstudium auf Masterniveau mit einem Staatsexamen und der Approbation abschließen (sogenannte Direktausbildung).

Aus Sicht der Fachgesellschaften DGPPN und DGPM muss geklärt werden, ob die umfassende Neugestaltung eines „Psychotherapiestudiums“ der geeignete Weg ist, den unzureichend definierten Status von Psychologischen Psychotherapeuten in Ausbildung zu verbessern. In jedem Falle muss rechtzeitig im laufenden Prozess dafür gesorgt werden, dass eine Reform den Anforderungen in der Patientenversorgung ausreichend Rechnung trägt und hierbei sowohl die Ausbildung als auch die Weiterbildung berücksichtigt werden. 

Für die Ausbildung schließt dies ein:

  • Das Qualitätsniveau einer akademischen Ausbildung von Psychologischen Psychotherapeuten als Grundlage eines wissenschaftlich fundierten Heilberufs muss erhalten bleiben. Deshalb ist als Zugangsvoraussetzung für den Beruf des Psychologischen Psychotherapeuten als auch des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten stets das Niveau eines Diplom- oder Masterabschlusses bzw. eines Staatsexamens zu fordern. Eine Direktausbildung zum eigenständigen, selbstverantwortlichen Heilberuf auf Bachelor-Niveau ist mit Patientensicherheit unvereinbar.
  • Den Erwerb ausreichender Kenntnisse in der Diagnostik, Differentialdiagnostik sowie des Verlaufs von akuten, chronischen und schwersten psychischen Erkrankungen, was eine enge Kooperation mit einer Medizinischen Fakultät notwendig macht.
  • Analog zur Ärzteausbildung kann eine Approbation zum Heilberuf erst nach Erwerb hinreichender praktischer Kenntnisse (analog zum Praktischen Jahr im Medizinstudium) erfolgen. Ein Teil der Ausbildungszeit soll in einer Psychiatrischen Klinik und in einer Psychosomatischen Klinik an Universitätskliniken bzw. Akademischen Lehrkrankenhäusern erfolgen, um zukünftigen Psychologischen Psychotherapeuten einen ersten Kontakt mit einem breiten Spektrum von Patienten insbesondere von Schwerkranken zu ermöglichen.

Für die Weiterbildung schließt dies ein:

  • Eine heilberufliche Tätigkeit im Sinne der KV setzt eine vierjährige postgraduale praktische Tätigkeit (äquivalent zur ärztlichen Weiterbildung) voraus.
  • Diese postgraduale Tätigkeit schließt eine mindestens einjährige praktische Tätigkeit in einer psychiatrischen Klinik und in einer Psychosomatischen Klinik mit voller Weiterbildungsermächtigung bzw. voll weiterbildungsbefugte Rehabilitationskliniken ein. Ziel dieser Tätigkeit ist der ausreichende Kompetenzerwerb in der Diagnostik, Differentialdiagnostik und Behandlung von schwerkranken und schwer zu behandelnden Patienten i.S. hoher Beeinträchtigung der Alltagsfunktionen, vitaler Gefährdung, komplexer Störungsbilder, unklarer Motivationslage sowie in der multimodalen Psychotherapie, wie er nur im stationären Setting erworben werden kann.

    Psychologischen Psychotherapeuten kommt eine zentrale Bedeutung in der Versorgung psychisch kranker Menschen in der ambulanten und stationären Versorgung zu. Allerdings ist zu beachten, dass

  • die erworbene Kompetenz und Berechtigung für psychotherapeutische Leistungen keine Befähigung zur umfassenden Diagnostik, Differentialdiagnostik und Therapie psychisch kranker Menschen impliziert, die immer auch die Berücksichtigung medizinischer Expertise und damit vernetzte Versorgungsstrukturen mit Fachärzten für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Fachärzten für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie bzw. Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie erfordert;
  • die zu erwartende Ausweitung nicht-zugangsbeschränkter psychotherapeutischer Tätigkeit in Weiterbildung nicht zur Verschiebung von Kostenallokationen und Verschlechterung der Behandlung von heute schon benachteiligten Patientengruppen („inverse care law“) führen darf;
  • in den Kliniken Psychotherapien durch Ärzte und Psychologische Psychotherapeuten durchgeführt werden können. Entsprechende Weiterbildungen in Kliniken müssen deshalb beiden Berufsgruppen ermöglicht werden. Dies macht zusätzliche Finanzmittel für die weiterbildenden Kliniken notwendig. D.h. es müssen entsprechende Vergütungs- und Stellendefinitionen im Bereich der psychiatrischen Personalverordnung, den Personalanhaltszahlen für die Psychosomatische Medizin und Psychotherapie bzw. ihrer Nachfolgeregelung durch den gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geschaffen werden, die den Notwendigkeiten der Weiterbildung in der Psychotherapie gerecht werden. Die Letztverantwortung für die Patienten und die Personalhoheit muss weiterhin bei den Klinikdirektoren liegen.

Weiterbildungszeiten von Ärzten und Psychologischen Psychotherapeuten müssen auch in fachärztlichen und psychotherapeutischen Praxen finanziell unterstützt werden.

Im Sinne eines multidisziplinären Zugangs zur psychotherapeutischen Tätigkeit setzen sich DGPPN und DGPM dafür ein, dass die ärztliche Psychotherapie, die in besonderer Weise somatische und psychotherapeutische Aspekte in ganzheitlicher Sicht zusammenführt, nicht verdrängt wird:

  • Der multidisziplinäre Zugang muss sich auch weiterhin in unterschiedlichen Berufsbezeichnungen, nämlich „Ärztlicher Psychotherapeut“ und „Psychologischer Psychotherapeut“ niederschlagen.
  • Die Möglichkeiten einer multimodalen Behandlung aus Psychotherapie, Pharmakotherapie und anderen biologischen Interventionen sowie psychosozialen Interventionen sollen, falls notwendig, genutzt werden.
  • Aus Gründen der Arzneimittel- und Patientensicherheit muss die Arzneimittelverordnung an eine ärztliche Qualifikation und Kompetenz gebunden bleiben, da nur diese sicherstellt und gewährleistet, dass Medikamentenwirkungen, Nebenwirkungen und Interaktionen bei der Indikationsstellung, Verordnung und Überwachung richtig beachtet werden.
  • Die der Psychotherapie vorausgehende Diagnostik muss eine ärztliche Untersuchung umfassen.
  • Zukünftig müssen mit gleichem Recht auch krankenkassenfinanzierte Weiterbildungsambulanzen für die ärztlich-psychotherapeutische Weiterbildung ermöglicht werden.

Eine Neugestaltung der Aus- und Weiterbildung der psychologischen Psychotherapeuten darf nicht in einen Rückschritt in der Versorgung münden, indem der Körper den Ärzten und die Seele den Psychologen zugesprochen wird. Die komplexe Behandlung psychischer und psychosomatischer Störungen erfordert es, sowohl die psychischen wie die somatischen Aspekte von Erkrankungen zu berücksichtigen. Psychotherapeutische Behandlungen sind Teil eines Gesamtbehandlungsplans, der die psychosomatischen und somatopsychischen Interaktionen beachtet und somatische Interventionen z.B. pharmakologische Therapien integriert. Eine erfolgreiche Umgestaltung der Aus- und Weiterbildung der psychologischen Psychotherapeuten wird sich auch daran messen lassen müssen, welche Lösung für diese komplexe Problematik gefunden wird.

Für die DGPPN
Dr. med. Iris Hauth, Präsidentin DGPPN
Prof. Dr. med. Sabine Herpertz, Vorstandsmitglied der DGPPN 

Für die DGPM
Prof. Dr. med. Johannes Kruse, Vorsitzender DGPM

 

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